Gesichtserkennung verbinden die meisten von uns mit der Sicherheits- und Überwachungstechnik, die in Fußgängerzonen, Flughäfen oder Bahnhöfen zum Einsatz kommt. Da dominieren in Deutschland immer noch die Sicherheitsaspekte. Daneben werden aber beispielsweise die Wege, die Kunden im Supermarkt nehmen, schon seit Langem aufgezeichnet und von Marketingexperten ausgewertet. In den letzten Jahren ist es durch Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz (KI) und der Sensortechnik möglich geworden, diese Gesichtsanalysen mehr oder weniger in Realzeit durchzuführen. Neue, lernfähige Algorithmen sind in der Lage, sogar den Gemütszustand des Kunden zu erkennen, Daten mit dem bisherigen Kaufverhalten zu verknüpfen und diese Erkenntnisse wiederum für personalisierte Werbung oder individuelle Angebote zu nutzen.

Das Interesse des Einzelhandels an Gesichtserkennungstechnik wächst

In China, den USA und Großbritannien hat sich das bereits flächendeckend durchgesetzt. Menschen werden in Einzelhandelsgeschäften, auf Flughäfen, Bahnhöfen oder an Tankstellen kontinuierlich überwacht und in ihrem Verhalten analysiert. Marktforschungsunternehmen wie Markets and Markets schreiben dem globalen Markt für derartige Technologien ein Volumen von mehr als 42 Milliarden US-Dollar bis zum Jahre 2020 zu.

Software zur Gesichtserkennung verwendet eine Vielzahl von Merkmalen, etwa den Abstand der Augen, die Breite der Nase, die Tiefe der Augenhöhlen, Länge und Form der Kinnpartie und andere charakteristische Merkmale des Gesichts. Die Programme werden zudem immer besser darin, menschliche Gefühlsregungen vom Gesicht abzulesen und einzuschätzen. Bei der Entwicklung von Gesichtserkennung spielen die Großen der US-amerikanischen Internet-Wirtschaft vorne mit. Facebook und Google verfügen mit Deep Face beziehungsweise Face Net über Progamme, die Gesichter auf Fotos mindestens so gut einer einzelnen Person zuordnen können wie ein Mensch.

Unternehmen wie Kairos in den USA bieten ihren Kunden sogenannte Human-Analytics-Plattformen, die mithilfe lernfähiger Algorithmen zur Gesichtserkennung menschliche Gesichter in der realen Welt, auf Bildern oder in Videos analysieren. „Wir geben Unternehmen die Bausteine, mit denen sie die Vorteile von Gesichtserkennung in jede Anwendung, jedes Produkt und jede Dienstleistung integrieren können“, schreibt Ben Virdee-Chapman, der CDO von Kairos, im Blog des Unternehmens. Den wachsenden Markt für Technologien zur Gesichtserkennung treiben dabei die Nachfrage nach intelligenter Überwachungstechnik durch Staat und Wirtschaft, aber auch zunehmende staatliche Ausgaben für biometrische Technologien.

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    Intelligente Gesichtserkennung in der Praxis

    Wie das im echten Leben aussieht, zeigt ein Beispiel aus New York. Die Modekette H&M experimentiert in ihrem Flagship-Store am Times Square mit einer kybernetischen Version des Schneewittchenspiegels. Im Eingangsbereich hat das Unternehmen einen menschengroßen intelligenten Spiegel aufgestellt, der Sprach- und Gesichtserkennung miteinander kombiniert, um mit den Kunden Kontakt aufzunehmen. Bislang funktioniert die Kommunikation mit derartigen Spiegeln noch über Touchscreens. Der H&M-Spiegel dagegen ist sprachgesteuert. Er macht den Kunden individuelle Outfit-Vorschläge. Die können sich die Vorschläge auf ihr Smartphone herunterladen und dann direkt im Geschäft oder auch später online kaufen. Außerdem kann der Spiegel Selfies aufnehmen und dann in das Cover des Kundenmagazins einfügen.

    Einen ähnlichen Versuch führte die US-Imbisskette Kentucky Fried Chicken (KFC) in China durch. Bereits 2017 präsentierte das Unternehmen in einem seiner Restaurants im Pekinger Finanzdistrikt ein mit Gesichtserkennung ausgerüstetes Bestellsystem. Man stellt sich vor das Gerät und bekommt eine Menüauswahl vorgeschlagen, von der das System annimmt, dass sie zu einem passt. „Das durch künstliche Intelligenz gesteuerte System kann einzelne Gerichte aus dem Menü empfehlen und richtet sich dabei nach dem geschätzten Alter des Kunden und dessen Stimmung“, erklärte ein Sprecher von KFC gegenüber der britischen Journalistin Amy Hawkins, die für die Tageszeitung The Guardian aus Peking berichtet. KFC arbeitet mit dem chinesischen Suchmaschinenkonzern Baidu zusammen, um auf der Basis von Baidu-Technologie und Gesichtserkennungssoftware eine Lösung zur Vorhersage von Kundenwünschen zu entwickeln.

    Gesichtserkennung bei KFC China

    Ein KFC-Angestellter demonstriert die Bestellung mit Gesichtserkennung. © Amy Hawkins/The Guardian

    Personalisiertes Marketing durch intelligente Gesichtserkennung

    Unternehmen hoffen, auf diese Art ihre Kunden besser kennenzulernen und ihnen nach Möglichkeit maßgeschneiderte Angebote präsentieren zu können. Das geschieht, indem man die Technologien zur Gesichtserkennung mit anderen Kundendaten verknüpft. Das wären beispielsweise Vorlieben und Abneigungen für bestimmte Produkte, Häufigkeit der Besuche oder eine Einschätzung über den Gemütszustand beim jeweiligen Besuch. „Die Gesichtserkennung wird es Vermarktern ermöglichen, ihre Kunden besser zu kennen. Die Fotos der Besucher können als Cookies zur Identifizierung und Speicherung von Benutzereinstellungen dienen“, verriet Artem Kukharenko, CEO von NtechLab, der US-amerikanischen Marketingexpertin und Bloggerin Molly St. Louis. NtechLab ist ein in Washington, D.C. ansässiges Unternehmen, das Lösungen zur Gesichtserkennung entwickelt. „Mit anderen Worten, Kundenkarten werden obsolet“, so Kukharenko weiter, „sobald Sie einen Laden betreten, wissen die Mitarbeiter bereits, was Sie das letzte Mal gekauft haben, dank der Aufnahmen der Kamera und unserer Technologie.“

    Diese Erkenntnisse erleichtern personalisierte Werbung. Kukharenkos Vision für diese Zukunft sieht dann so aus: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Supermarkt und prüfen eine Kaffeemaschine, kaufen sie aber nicht. In ein paar Tagen könnten Sie eine Internet-Anzeige des gleichen Artikels mit einem Rabatt angezeigt bekommen oder Sie erhalten eine persönliche Nachricht über Social Media mit relevanten Informationen über solche Produkte.“

    Beim Thema Gesichtserkennung bleiben die Deutschen skeptisch

    In Deutschland sind nicht nur technische und rechtliche Hürden zu nehmen. Viele Menschen begegnen Technologien zur Gesichtserkennung mit großer Skepsis und empfinden auch die Überwachung im Supermarkt als Eingriff in ihren persönlichen Lebensbereich. Das lehnten nach einer repräsentativen Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen von 2017 mehr als drei Viertel der Befragten ab. Auch waren vier von fünf Befragten besorgt, dass über Gesichtserkennung im Supermarkt unbemerkt Daten über sie gesammelt würden, über die sie keine Kontrolle hätten. Zwei Drittel der Befragten sahen darin sogar einen Grund, den betreffenden Supermarkt zu meiden. An der Befragung nahmen rund 1100 Internet-Nutzer vom jungen Erwachsenen bis zum Ruheständler teil. Da die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden letztlich auf Vertrauen basiert, hat der Einzelhandel hier wohl noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten.

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