Niemand bei Daimler-Benz käme auf die Idee, den Mercedes-Stern, nur mal zum Spaß, mit vier Spitzen abzubilden. Und wer eigenmächtig den Slogan „Hoffentlich bei Allianz versichert“ in die Welt setzt, wird wahrscheinlich den letzten Tag für den Konzern gearbeitet haben. Corporate Design, Corporate Publishing, Styleguides – das sind aus gutem Grund heilige Kühe. Allerdings, im Online-Marketing, auf Social-Media-Plattformen etc. herrschen mitunter noch lockere Sitten – mit potenziell fatalen Folgen im Einzelfall.

Einer der vielen legendären Shitstorms wurde von Schlecker losgetreten: Auf Kritik an dem ohnehin nicht sonderlich intelligenten Slogan „For you. Vor Ort“ reagierte ein Sprecher der Drogeriekette mit dem ebenso wenig sensiblen Hinweis, dadurch würden eben durchschnittliche Schlecker-Kunden angesprochen: Menschen mit niedrigem bis mittlerem Bildungsniveau. Zur Rettung des bereits angeschlagenen Unternehmens hat dieser Lapsus natürlich nicht gerade beigetragen…

Styleguides, denn Sprachregelungen sind nicht zum Spaß da…

Ob so etwas auf Facebook oder Twitter entsteht oder erst dort von Usern in die Mangel genommen wird, spielt keine Rolle. Auslöser beim Clash zwischen PR und Publikum ist jedenfalls oft der sprachliche „Griff ins Klo“. Wer zum Beispiel keinen respektvollen Begriff für seine Kundschaft parat hat, sollte schweigen. Vor allem aber sollte er umgehend für eine entsprechende Sprachregelung sorgen. Und dafür, dass jede Kommunikation, die das Unternehmen verlässt, sich daran orientiert.

So genannte Styleguides umfassen sowohl grafische als auch sprachliche Normen für das Corporate Design. Mega-Institutionen wie die EU brauchen ganze 283 Seiten für ihre Veröffentlichungsregeln; Microsoft (in der deutschen Fassung) immer noch über 100. Das Wall Street Journal aktualisiert seine Sprachregelungen etwa monatlich, und zwar in 20 verschiedenen Kategorien. Auch Einrichtungen wie die Berliner Humboldt-Universität haben eigene Styleguides – und sogar die katholische Militärseelsorge hat einen Leitfaden.

Diesen Beispielen braucht ein kleines oder mittleres Unternehmen nicht einmal ansatzweise nachzueifern. Die Regelwerke durchzustöbern, ist aber höchst anregend: Es schult nicht nur das Bewusstsein dafür, wo überall Missverständnisse lauern, sondern lehrt auch Respekt vor dem Instrument „Sprache“.

Multifunktionale Styleguides nach Maß

Wichtig ist Zweckmäßigkeit, nicht der Umfang. Mit zehn Geboten für die Facebook-Seite ist bereits sehr viel erreicht, wenn damit die drei für Social Media zuständigen Individualisten davor bewahrt werden, dass ihnen beim Posten die Gäule durchgehen. Erste Beispiele:

  • Sagen wir „Du“ oder „Sie“?
  • Liken wir jeden netten Kommentar?
  • Wie bezeichnen wir unsere Produkte?

Styleguides für die Unternehmenssprache sollen sich nicht auf verbotene Formulierungen fixieren, um panisch jeden Ausrutscher zu vermeiden. Viel produktiver sind positive Vorgaben, mit denen die Kommunikation zu einem unverwechselbaren und attraktiven Unternehmensprofil beiträgt.

Dabei geht es nicht um Uniformität! Ein Tweet muss anders sein als die Firmenchronik im Jubiläumsjahr. Dennoch können und sollen sich die erwähnten zehn Gebote vermehren und auf andere Kanäle ausbreiten. Ein Styleguide ist eine typische Querschnittsaufgabe: Im Prinzip (und am Ende) Chefsache, aber maßgeblich beeinflusst von den Erfahrungen in Verkauf und PR, von der Expertise der Hausagentur bis hin zum zufälligen Spezialwissen eines Praktikanten zum Thema „Shitstorm“. Und weil es nicht die eine Patentlösung für jedes Unternehmen gibt, wird der eigene Styleguide immer ein spezielles Work in Progress bleiben. Das ist keine Schande; auch bei der EU ist das so.

Styleguide starten: Die ersten 5 Schritte

Ein Styleguide muss funktionieren, und zwar jedes Mal, wenn irgendwer bei Ihnen etwas veröffentlicht. Es darf nie eine alte Version im Umlauf sein.

  1. Starten Sie mit einem Brainstorming dazu, was Sie mit dem Styleguide wollen, welche Informationen Sie brauchen, wer es steuert und wie es funktionieren soll.
  2. Recherchieren Sie zu Styleguides (insbesondere zum Thema Spache) und achten Sie auf das, was aktuelle Shitstorms ausgelöst hat.
  3. Auch wenn Sie erst die Hälfte von Ihren zehn Geboten haben: Legen Sie gleich damit los. Dann sehen Sie, was passiert, und wenden Ihre Erfahrungen auf die nächsten fünf Gebote an.
  4. Filtern Sie ab diesem Moment akribisch jedes Kundenfeedback, Kommentare, Tweets etc., kurzum: jede relevante Information darauf, ob Updates für Ihr Stylebook erforderlich sind. Beobachten Sie auch die Kommunikation der anderen Marktteilnehmer und deren Erfolg.
  5. Legen Sie fest, wer, wie, wann screenen soll, wie sich ihre Regeln bewähren und wie Sie Erweiterungen und Änderungen einbauen.

Die Musts ebenso wie die No-gos in diesem Bereich sind prinzipiell alle dem gesunden Menschenverstand zugänglich. Es ist daher nicht ganz unmöglich, auch dann alles richtig zu machen, wenn man primär für Baustoffhandel, Gesundheitsberatung oder Gastronomie kompetent ist. Es kann aber Zeit, Geld und Nerven sparen, sich beraten zu lassen. Die zuständigen Fachleute firmieren unter Texter, Grafiker und Medienagenturen.

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