Dynamic Pricing

Geht es im Wettbewerb in Richtung Hauen und Stechen um den letzten Cent, dann wird die optimale Preisgestaltung zum Samuraischwert: Sieger ist, wer sein Angebot absolut trennscharf zwischen zu billig und zu teuer platziert. Das hört sich einfach an, hat sich aber im Online-Handel zu einer Echtzeitrally entwickelt – mit komplexen Algorithmen bestückt, dynamisch, personalisiert und riskant unter dem Titel Dynamic Pricing.

Vom Sonderangebot zur Instant-Kalkulation

Haben Sie Saisonware übrig? Ausverkauf im Lokalblatt annoncieren und auf Erfolg hoffen, so ging das früher mal. Sonderangebote regulierten den Lagerbestand, und alle konnten sich freuen: die Verbraucher über ihr Schnäppchen, der Handel über vermiedene Totalverluste und vielleicht sogar zusätzliche Spontankäufe. Klassischer Markt eben. Und dieser Markt hatte auch einen sozialen Effekt. Denn die so kalkulierten günstigen Preise entstanden mit Seitenblick auf scharf rechnende Kunden; doch auch nicht so versierte und agile Verbraucher profitierten davon. Das Sonderangebot galt ja für alle.

Vor allem der stationäre lokale Handel tickt streckenweise immer noch so. Aber spätestens seitdem man im Flieger nach Palma neben Leuten sitzt, die einen Bruchteil der eigenen Kosten für ihr Ticket bezahlt haben, ist auch dem Letzten klar, dass aus dem Preisschild längst ein Wesen der anderen Art geworden ist. Der Effekt ist, überspitzt formuliert: Die Zielgruppe „Käufer“ zerfällt in solche, die sich die Hände reiben, und solche, die sich schwarzärgern – je nach Branche mehr oder weniger ausgeprägt.

Dynamic Pricing funktioniert automatisiert, und die Instant-Kalkulation geht im Online-Handel über die reine zeitliche und vielleicht geografische Preisanpassung deutlich hinaus. Nicht mehr nur Marktsituation und Lagerbestände, sondern auch Daten des Käufers entscheiden also, zu welchem Preis ihm ein Produkt gezeigt wird – bis hin zu der Art des Geräts, mit dem er den Online-Shop besucht.

Angebote für Händler mit Big-Data-Management

Wer „Dynamic Pricing“ googelt, wird mit relevanten organischen Suchergebnissen ebenso üppig versorgt wie mit Anzeigen von Pricing-Services für Online-Shops. Betrachtet man die Bandbreite der hier angebotenen Strategien, wird schnell klar: Kaum ein mittelständisches Unternehmen wird mit eigenen Ressourcen in der Lage sein, ein eigenes Dynamic Pricing je so differenziert zu justieren.

Gescannt und in Echtzeit in einen optimalen Produktpreis eingespeist werden da etwa Minimalpreisgrenzen; Mitbewerberverfolgung; zeitliche, sortiments- und wettbewerbsbezogene Faktoren; angepasste Strategien für Topseller versus Longtail-Produkte; Limits für automatisches Pricing …; das ist nur eine kleine Auswahl. Hinzu kommen aber auch noch personalisierte Faktoren. Sie fallen strenggenommen unter „Personalised Pricing“: bisheriges Kaufverhalten, Indizien für die Dringlichkeit des Kaufs, geschäftliche oder private Buchung, Ansteuerung des Webshops über ein Preisvergleichsportal oder direkt – bis hin zum verwendeten Gerät. So fand zum Beispiel die Verbraucherzentrale NRW heraus, dass iPhone-Nutzer teurer kaufen als Windows-Desktop-Kunden. Das  berichtet das Magazin eBlocker und gibt gleich eine Reihe Tipps für Verbraucher, um neutrale Preise zu erhalten bzw. sich sogar diese automatisierte Preisgestaltung zunutze zu machen.

Online-Preisgestaltung: Hochleistungstuning mit Risiken

Spätestens hier wird deutlich, dass personalisiertes Dynamic Pricing ein zweischneidiges Schwert sein kann. Zum einen ist da das Kundenerlebnis. Zwar dürfte etwa durch die Beliebtheit von Bestpreis-Portalen die Akzeptanz für „Je-nachdem-Preisunterschiede“ wachsen. Die Grenze der Leidensfähigkeit könnte aber schon da erreicht sein, wo ein Kauf mit dem Smartphone so deutlich teurer ist, dass man warten muss, bis man zu Hause am Rechner sitzt. Und allzu drastische Preisdifferenzen können auch Shitstorms auslösen.

Die Ausnutzung der genannten Tricks durch Verbraucher kann die Vorteile dynamischer Preisgestaltung für Online-Shops zumindest reduzieren. Zwischen der Findigkeit etwa seitens der Preisvergleichsportale einerseits und der Pricing-Algorithmen andererseits kann sich ein Hase-und-Igel-Rennen entwickeln, dessen Ausgang nur schwer kalkulierbar ist. Eine Studie des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation hat mögliche Vor- und Nachteile für beide Seiten genauer unter die Lupe genommen. Teil des Fazits für Unternehmen ist dabei neben den genannten Risiken, dass kleinere Online-Shops unter Druck geraten werden und dass die Gefahr fehlerhafter Preisgestaltungen durch einen Mangel an Know-how steigt.

Rechtliche Aspekte behandelt die genannte Studie ebenfalls, allerdings mit Schwerpunkt auf österreichischem Recht und – wichtig! – noch ohne Berücksichtigung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Da hier drastische Strafbestimmungen ins Spiel kommen, müssen Online-Shops genau aufpassen, welche Benutzerdaten sie überhaupt erfassen und speichern dürfen. Es reicht also nicht mehr, zum Beispiel die üblichen Tipps zur Preisangabenverordnung zu beherzigen.

Fazit: Steuern Sie Ihre Preiskalkulation mit Verstand!

Dynamic Pricing ist für Online-Shops wohl zunehmend unausweichlich, um auf umkämpften Märkten zu bestehen. Bei der Diskussion der Strategien und vor allem bei der Auswahl eines Service-Anbieters ist es aber mehr als ratsam, eine überlegte Checkliste abzuarbeiten, die vor allem vertrauenswürdige Referenzen und verbindliche Compliance-Regeln hinsichtlich der DSGVO und der noch weitergehenden E-Privacy-Verordnung umfassen sollte.

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