E-Health

Bislang konnten weder rhetorisch geschickte Gesundbeter noch gesetzliche oder organisatorische Reformen das deutsche Gesundheitssystem in so etwas wie eine Komfortzone holen. „Stundenlanges Warten, schlecht gelauntes Personal, pöbelnde Patienten. Die Notaufnahmen in Deutschland sind überfüllt…“, bemängelt beispielsweise der Spiegel, und das trotz – laut PKV – europaweit kürzester Wartezeiten. Doch nicht nur bei der Versorgung, auch auf der Kostenseite häufen sich die Klagen: Es „wachsen die Ausgaben für medizinische Behandlung, Pflege und Prävention weiterhin schneller als die deutsche Wirtschaft“, schreibt etwa das Handelsblatt. Gleichzeitig seien die gesetzlichen Krankenkassen chronisch unterfinanziert: Einen Fehlbetrag von 14,4 Milliarden Euro für das Jahr 2017 prognostiziert der VdEK. Und dennoch halten auf der anderen Seite über 90 Prozent der Ärzte das deutsche Gesundheitssystem für gut oder sehr gut.

In der schier unerschöpflichen Kontroverse um das Gesundheitswesen ist der Informationsstand oft dürftig und von Pseudodebatten geprägt. Tatsache allerdings ist: Das Megaprojekt der Digitalisierung läuft gerade hier auf vollen Touren. Egal ob sektorenübergreifende Telematikinfrastruktur oder kleine Patientenhelfer für den Alltag, trotz einiger offener Fragen (vor allem zum Thema Datenschutz) leistet die Digitalisierung im Gesundheitswesen – Stichwort E-Health oder Smart Health – schon jetzt einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Situation. Es lohnt sich also, ein paar Schlaglichter auf die digitale Praxis zu werfen.

Smartphones machen Diabetiker therapietreu

Zuckerkranke, aber auch das Gesundheitssystem insgesamt, haben ein Problem mit Diabetes Mellitus Typ II (DM2): Es ist eine teure Volkskrankheit, sie ist chronisch, die Patienten neigen zu nicht minder belastenden Sekundärerkrankungen und halbwegs in den Griff zu kriegen ist der Diabetes nur durch nachhaltige Änderung des Lebensstils und große Therapietreue (sprich: Disziplin) der Betroffenen – was ja auch anderweitig oft nur schwer erreichbar ist.

Ein interdisziplinäres Projekt mit dem Ziel „Entwicklung und Integration von mobilen personen- und situationsbezogenen Interventionen in moderne Schulungs- und Beratungsstrategien“ in Salzburg geht das Problem digital an. Das Projekt nutzt Smartphone- und Webtechnologien, um die Patienten beim Erreichen ihrer Therapieziele mit situationsbezogenen Hinweisen zu unterstützen. Relevanz und Umsetzbarkeit werden von den Betroffenen und von allen Beteiligten in der Betreuungskette bewertet. In wiederholten Reflexionszyklen werden die Hinweise angepasst. Im Sinne einer personalisierten Medizin entsteht für jeden Patienten ein persönlicher digitaler Coach. Am Ende der Laufzeit (Februar 2019) soll ein Leitfaden zur Umsetzung im klinischen Alltag auf Basis der Ergebnisse für den breitenwirksamen Einsatz vorliegen.

Spezialisierte Apps ermöglichen smarte Gesundheitschecks

Stimmt die Ernährung, bewegt man sich ausreichend und sind die Gesundheitswerte in Ordnung? – Das sind Fragestellungen eines weiteren Forschungsvorhabens an der FH Salzburg. Hier soll sich klären, was mit mobilen Geräten sinnvoll und technisch möglich ist bei der Ergänzung der Leistungen und des Wissens der Hausärzte. Unter dem Titel SmartHealthCheck findet sich ein Bündel an Projekten, die bereits im Februar 2018 abgeschlossen sein sollen.

Veröffentlichungen gibt es etwa schon zu Ergebnissen der smartphonegestützten Diabetiker-Überwachung oder zum Projekt EatAR. Bei letzterem soll eine Augmented-Reality-App Patienten mit bestimmten Diätvorschriften helfen, beispielsweise Kalorien- und Kohlehydratmengen einer Mahlzeit leichter einzuschätzen. Ein weiteres Projekt wendet sich im präventiven Bereich gezielt an Jugendliche: Mit einer eigenen Smartphone-App können sie ihre individuellen Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten aufzeichnen. 3D-Avatare geben dann Feedback und Gesundheitstipps.

Frei verfügbare Gesundheitsdaten im Internet?

Bereits Schüler mit Schwerpunkt IT wissen heute, dass man Daten, die über Smartphones versendet werden, auch gleich um den Hals tragen kann. Dennoch: Vier von fünf Deutschen können sich vorstellen, in bestimmten Situationen Körperfunktionsdaten elektronisch an einen Arzt zu schicken. Weitere Ergebnisse listet ein Report von YouGov:

  • 40 Prozent der Befragten sagen, dass ihnen der ständige Austausch von Gesundheitsdaten die Sicherheit gebe, jederzeit gesundheitlich überwacht zu sein.
  • Fast jeder dritte Deutsche misst regelmäßig selbstständig Körperfunktionen oder Gesundheitsdaten.
  • Datenschutz jedoch ist 94 Prozent der Deutschen bei der digitalen Vermessung ihrer Körperfunktionen wichtig.

Nicht bekannt ist hingegen, wie weit sich die Unsicherheit von E-Health-Devices wie z. B. Fitnesstrackern herumgesprochen hat. Eine Studie der Universität Toronto testete acht gängige Geräte, die sich zu einem erheblichen Teil sogar dann schutzlos gegen Hackerangriffe zeigen, wenn sie gar nicht eingeschaltet sind. Die meisten von ihnen senden kontinuierlich Kennungen, die eine Lokalisierung erlauben. Vor diesem Hintergrund wirkt die bereits publizierte Absicht einer Krankenkasse schon etwas pikant, ihre Versicherten mit Gratis-Fitnesstrackern zu beglücken.

Hinzu kommen noch tiefergreifende Konzepte – die aber immerhin theoretisch das Potenzial haben, das Problem „volles Wartezimmer“ drastisch zu reduzieren. Das US-amerikanische Design-Unternehmen Teague präsentierte den Doktor in der Box, ein Diagnose-Set für zu Hause, u. a. mit smartem Stethoskop und Telekonferenz-Kamera. Damit werden einfache Routineuntersuchungen möglich, ohne das Haus zu verlassen, je nach Bedarf mit oder ohne fachliche Online-Assistenz. Eine „Killer-Applikation“ nennt Teague außerdem die Möglichkeit, auch auf Auslandsreisen ungewisse gesundheitliche Komplikationen besser meistern zu können.

Sichere Telemedizin ist auf dem Vormarsch

Dass es auch mit zumindest konzeptionell gesicherter Übertragung geht (wenn auch nicht ganz so futuristisch wie bei Teague), zeigt die Ärzte-/Patienten-Plattform SMAP (Social Medical Application Platform). Sie stellt so etwas wie ein virtuelles Sprechzimmer dar, hat aber nichts mit Speicherungen in einer elektronischen Patientenakte zu tun. Eventuell übertragene Befunde o. Ä. stehen nur vorübergehend auf der digitalen Pinnwand des jeweiligen Falles. Dafür können aber bei Bedarf von weiteren Ärzten zweite Meinungen eingeholt werden.

Fazit: Das Gesundheitssystem ist auf dem Weg der Besserung

E-Health-Wearables, medizinische Smartphone-Apps, digitale Analyse-Tools und auch die 2014 eingeführte, aktuell wieder heiß diskutierte elektronische Gesundheitskarte mit der freiwilligen Option, Daten zentral in der elektronischen Patientenakte zu speichern, sind mit Sicherheit eher der Anfang als das Ende eines digitalisierten Gesundheitssystems. Es tut sich einiges im E-Health-Sektor. Patienten, Ärzte und Gesundheitsdienstleister tun jedenfalls gut daran, die Entwicklung zu verfolgen.

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