Wenn ein im Grunde recht schlichter Ansatz einen coolen neuen Namen bekommt und quer durch alle möglichen Medien als „Massenhype“ (W&V auf Instagram) oder als „unique approach“ (SAP) etikettiert wird, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird einmal mehr die neueste Sau durchs Dorf getrieben. Oder die Zeit ist tatsächlich reif – für einen Kulturwandel in Unternehmen, wie z. B. Capital es nennt: Design Thinking.
Nicht nur Firmen wie Bosch und Daimler sind in Deutschland auf den Zug aufgesprungen. Auch Verlage experimentieren damit. Und wer zu diesem Thema ein Seminar, einen Workshop oder gleich eine spezielle Schule sucht, kann sich vor Angeboten kaum retten.
Auch deutsche Ingenieure lernen, Fehler zu machen
Statt Definitionen zu wälzen, blicken wir der Autorin der Zeit bei ihrem exklusiven Besuch am Forschungsstandort von Bosch über die Schulter. Sie zitiert die Bosch-Innovationsmanagerin Birgit Thoben: Klassisches Ingenieursdenken führe meist zu erwartbaren Innovationen. Hier gehe es aber darum, wie der Mensch in Zukunft leben und welche Produkte er dann haben will. Darum absolvieren auf der öffentlich nicht zugänglichen „Plattform 12“ in Renningen bei Stuttgart Künstler ein Stipendium, die bewusst ein wenig Chaos in die Forschung bringen sollen.
Denn Großkonzerne (und nicht nur sie) haben oft ein Problem, querzudenken. Hätte Bosch den Taximarkt aufmischen wollen – „Wir hätten das beste, bequemste, schönste Taxi gebaut“, statt wie Uber einen Taxiservice ganz ohne Taxi zu denken, gibt Boschs Direktor für User Experience Strategy zu. Hinzuzufügen ist: Und dabei hätte man sich so wenig Fehler wie möglich geleistet. Weil Fehler viel Geld kosten können.
Design Thinking setzt aber gerade auf Fehlertoleranz. Allerdings sollen Fehler bei der Entwicklung von Produkten und Services genau aus diesem Grund in einer frühen Phase passieren – dann, wenn erst wenig an Investitionsaufwand angefallen ist. Die Idee dabei ist, dass der Schaden bei einer nach großer Markteinführung gescheiterten Entwicklung viel schwerer wiegt, als bei einem ganzen Bündel junger Innovationspflänzchen, die schon früh wieder eingehen.
Der Kulturwandel in Unternehmen führt zu disruptiven Innovationen
Ubers Taxiservice ist eine disruptive Innovation, d. h. der Durchbruch einer Idee, die einen Bedarf auf weitgehend andere Weise befriedigt als Produkte oder Dienstleistungen bisher. Disruptive Innovationen und Technologien können etablierten Anbietern das Fürchten lehren. Eine der Therapien gegen die Angst, disruptiv vom Markt gefegt zu werden, ist Design Thinking. Denn dieses Denken ist bereits ein Kulturwandel im Unternehmen, und es ermöglicht Entwicklern, selbst Disruption zu produzieren.
Kleine und mittlere Unternehmen können das genauso, wenn auch nicht im selben Maßstab wie etwa Daimler, Siemens oder Adidas. Dafür gibt es unterschiedlichste Beispiele:
Entscheidendes Element der meisten Design-Thinking-Prozesse ist jedenfalls ein Perspektivenwechsel. Unternehmen sind es gewohnt, Innovationen ausgehend von ihren Produkten bzw. Angeboten zu entwickeln. Als Impulsgeber funktionieren dabei häufig Rentabilitätsüberlegungen oder Kundenreklamationen. Was aber, wenn ein Produkt nicht mehr oder nicht mit marktfähigen Kosten verbessert werden kann? – Hier müssen Unternehmer und Entwickler mehrere Schritte zurückgehen und möglichst hautnah entdecken, weswegen die Kunden ursprünglich überhaupt zu einem bestimmten Produkt gegriffen haben. Die Aufgabe des Design Thinkings ist dann zu versuchen, dieses Bedürfnis so zu stillen, als gäbe es ein solches Produkt noch gar nicht. So können zukunftsfähige Ideen auftauchen, auf die ansonsten die böse Konkurrenz gekommen wäre. Und auf diesem Weg sind Fehler, also Versuch und Irrtum, durchaus erlaubt!
Fazit: Geben Sie Querdenkern eine Chance!
Design Thinking ist eigentlich nur alter Wein in neuen Schläuchen, sagen manche Kritiker: ein bisschen interdisziplinärer Ansatz, gemischt mit Customer Journey Mapping oder ähnlichem. Ob diese Kritik berechtigt ist, braucht Sie allerdings kaum zu interessieren. Entscheidend ist, was dabei herauskommt. Und da ist es ziemlich offensichtlich, dass man sich sowohl vom Ansatz als von vielen Beispielen produktiv inspirieren lassen kann. Die echte Herausforderung bleibt allerdings der erforderliche interne Kulturwandel.
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